Arbeitsrecht: Lohnfortzahlung bei Erkrankung im Ausland

Berufstätige, die ihren Urlaub in einem als Corona-Hochrisiko-Gebiet eingestuften Land verbringen und dort an Corona erkranken, können ihren Anspruch auf Lohnfortzahlung verlieren, weil sie ihre Erkrankung schuldhaft selbst herbeigeführt haben. Das gilt nach einer – noch nicht rechtskräftigen – Entscheidung des Arbeitsgerichts Kiel (Urteil v. 27.6.2022, 5 Ca 229 f/22) aber nicht, wenn die Inzidenzwerte am Heimatort höher waren als am Urlaubsort.

Eine Beschäftigte hatte Anfang 2022 ihren Jahresurlaub in der Dominikanischen Republik verbracht. Unmittelbar nach ihrer Rückkehr zeigte ein Corona-Test ein positives Ergebnis. Krankheitssymptome hatte die Arbeitnehmerin nicht.

Sie meldete sich bei ihrem Arbeitgeber arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber verweigerte ihr jedoch die Lohnfortzahlung mit der Begründung, dass sie keinerlei Krankheitssymptome aufweise, eine Arbeitsunfähigkeit somit nicht bestehe. Außerdem habe die Arbeitnehmerin das positive Testergebnis selbst verschuldet, weil sie trotz der ihr bekannten Einstufung der Dominikanischen Republik dorthin gereist sei.

Die Klage hiergegen war vor dem Arbeitsgericht Kiel erfolgreich. Das Gericht bejahte zunächst das Vorliegen einer Erkrankung. Auch wenn die Klägerin keine Krankheitssymptome gehabt habe, so sei doch das Covid-19-Virus bei ihr nachgewiesen gewesen. Die dazu vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei von hohem Beweiswert. Allein das Fehlen von Krankheitssymptomen entkräfte diesen Beweiswert nicht.

Der Anspruch der Klägerin auf Lohnfortzahlung sei auch nicht durch eigenes Verschulden der Arbeitnehmerin entfallen. Arbeitnehmer seien in ihrer Freizeitgestaltung grundsätzlich frei. Die mit einer Auslandsreise verbundenen Gefahren lägen grundsätzlich innerhalb des allgemeinen Lebensrisikos. Ein erhöhtes Risiko müsse konkret festgestellt werden können. Die amtliche Einstufung eines Urlaubsgebiets als Corona-Hochrisiko-Gebiet könne zwar für Arbeitnehmer grundsätzlich die arbeitsrechtliche Verpflichtung auslösen, Urlaubsreisen dorthin zu unterlassen.

Im konkreten Fall war aber keine Risikoerhöhung festzustellen, weil die Inzidenzwerte in der fraglichen Zeit in Deutschland deutlich höher waren als in der Dominikanischen Republik. Das Risiko, zu erkranken, sei folglich in der Bundesrepublik höher gewesen. Der Klägerin könne deshalb nicht vorgeworfen werden, sie habe ihre Erkrankung mit der Reise selbst verschuldet. Dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung stand somit § 3 Abs. 1 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht entgegen.